TDS-Diplomarbeiten 2024
«Diplomarbeiten müssen für die Berufspraxis relevant sein ...» So heisst es in den Richtlinien zur Diplomarbeit der HF TDS Aarau. Und weiter: «Eine theoretische Reflexion und ein praktischer Bezug (Untersuchung einer Situation, Anwendung auf eine Situation) gehören bei jedem Thema dazu.» Die Studierenden der Klasse IV haben diese Vorgaben auf vielfältige Art und Weise umgesetzt. Eine Übersicht über die Themen sowie zwei Arbeiten werden hier vorgestellt.
Eine Übersicht aller Diplomarbeiten 2024
Zehn Schritte zur milieusensibleren Kirche
Dominik Kurzen wendet Milieuforschung und Lebensweltorientierung auf Kirchen an. Er präsentiert einen praktischen Leitfaden für kirchliche Angestellte.
Dominik Kurzen ist neben seinem Studium angestellt in der Steetchurch Zürich. Hat diese ihn motiviert zum Thema? «Die Menschen, die zu uns kommen, stammen aus einem urbanen und multikulturellen Milieu – ungewohnt für eine reformierte Kirche. Ich wollte wissen: Wie kann Kirche grundsätzlich sensibel werden für ihr Milieu?»
Für seine Diplomarbeit studierte Dominik Milieuforschung und lernte dabei z. B. das Sinus-Milieu-Marktforschungsmodell kennen. Er stellte Bezüge her zwischen kirchlicher Milieuforschung von Hempelmann und den Ansätzen, die am TDS gelehrt werden: Sozialraumorientierung, Lebensweltorientierung, usw. «Dann versuchte ich, die Erkenntnisse auf die Praxis anzuwenden: Die Menschen um mich herum – im Beruf, in meinem Umfeld. Tatsächlich konnte ich so die Theorie für die Praxis nutzbar erfahren. Das hat mich gefreut!»
Die Essenz seiner Diplomarbeit ist ein Leitfaden von zehn Schritten für eine milieusensiblere Kirche. «Als erstes muss ich mir bewusst werden: Wie offen bin ich gegenüber Menschen aus anderen Milieus? Danach geht es darum, Leute zu finden, um gemeinsam aufzubrechen zu anderen Milieus.» In den letzten Schritten wird der Sozialraum konkret erkundet. Die Anleitung ist sehr niederschwellig: Im täglichen Arbeiten kann die Ausrichtung der Kirche milieusensibler geprägt werden. Das Ziel ist eine Öffnung der Kirche hin zur Lebenswelt von Menschen, die sie bisher kaum erreicht hat.
Jesus wandte sich den Menschen unterschiedlich zu – je nach Milieu.
Dominik möchte zukünftig in einer Kirche arbeiten, welche in irgendeiner Weise milieusensibel ist: «Wir müssen lernbereit sein und unser Missions- und Kirchenverständnis reflektieren!» Auch Jesus sei milieusensibel gewesen: «Er wandte sich den Menschen in verschiedenen Lebenssituationen – Milieus – zu, je nachdem, was sie brauchten: Bei einem war es Heilung, bei einem anderen Zuwendung und Anerkennung. Auch uns sollte die Frage leiten: Welche Nöte und Bedürfnisse haben die Menschen um uns herum?»
Plan A: Vegane Ernährung
Gibt es biblisch fundierte Gründe, sich vegan zu ernähren? Welches Verhältnis haben Kirchen zu Tieren und tierischen Produkten? Michaela Vetsch widmet sich in ihrer Diplomarbeit diesen Fragen.
«Es war an einem Sommerabend, als ich von Aarau nach Hause fuhr und die Kühe auf der Wiese beobachtete. Auf einmal schoss es mir durch den Kopf: Eine Kuh produziert nur Milch, wenn sie trächtig war und nachher ein Kälbchen säugen soll! Aber auf der Weide waren weit und breit keine Jungen zu sehen. Meine Gedanken trugen mich weiter. Und damit eine Kuh ein Kalb gebären kann, muss eine Befruchtung stattfinden. Ich erinnerte mich zurück an meine Kindheit, denn mein Vater betrieb einen kleinen Kuhstall. Regelmässig kam ein Mann, der die Kühe künstlich besamte. Mir war es, als würde Gott mir durch dieses Erlebnis die Augen öffnen und sagen: ‘Wage den Schritt, ernähre dich vegan.’ Und so kam es, dass ich mich vermehrt mit tierethischen Fragen auseinandersetzte und meine Ernährung anpasste.
Seit diesem Erlebnis beschäftigt mich das Thema Tierleid fast täglich. Es zerreisst mir das Herz, wenn ich Fakten über Tierhaltung höre oder mitbekomme, was alles in den Schlachthöfen schiefläuft. Nach wie vor fällt es mir schwer nachzuvollziehen, weshalb gerade gläubige Menschen den Tieren so wenig Beachtung schenken. Deshalb widme ich meine Diplomarbeit einem Thema, das viele als nebensächlich einstufen würden. Ich möchte mehr darüber erfahren, wie Gott über Tiere denkt, was in seinem Wort über sie geschrieben steht und wie es im Gemeindekontext möglich wäre, sich dieses Themas anzunehmen.»
Soweit das Vorwort von Michaela Vetschs Diplomarbeit. Michaela findet eine erste Antwort in folgenden Bibelstellen:
Siehe, ich gebe euch alles Gewächs, das Samen bildet auf der ganzen Erde, und alle Bäume, die Früchte tragen mit Samen darin. Euch sollen sie zur Nahrung dienen.
- Gen. 1,29 (aus dem Schöpfungsbericht)
Alles, was sich regt und lebt, soll euch zur Nahrung dienen. Das alles übergebe ich euch wie die grünen Pflanzen.
- Gen. 9,3 (nach der Sintflut)
Michaelas Schlussfolgerung: Gottes Plan war die vegane Ernährung – und zwar für alle Lebewesen. Später hat Gott fleischliche Ernährung erlaubt, jedoch nur als Plan B – ein Zugeständnis Gottes aufgrund der veränderten Realität nach Sündenfall und Sintflut: «Durch den Sündenfall wurde die ursprüngliche Harmonie der Natur aufgelöst und nach der Sintflut war die gesamte Ernte zerstört, so dass es schwer gewesen wäre, sich nur pflanzlich zu ernähren.» Michaela folgert weiter: Tierische Produkte sind von Gott her nicht dazu gedacht, unseren Wohlstand zu erhöhen. Sondern im Gegenteil: Unser Wohlstand ermöglicht es, auf tierische Produkte zu verzichten.
«Unser Wohlstand ermöglicht es, auf tierische Produkte zu verzichten.»
Michaela stösst in ihrer Recherche auf Bibelstellen, welche die Würde der Tiere betonen: «Ein Gerechter weiss, was sein Vieh braucht» (Spr. 12,10); Gott erbarmt sich beim geplanten Gericht in Ninive nicht nur der Menschen, sondern auch der Tiere (Jona 4,11); Tiere zu versorgen und zu retten steht über dem Ruhegebot des Sabbats (Luk. 14,5).
In ihrer Diplomarbeit gibt Michaela Anregungen, wie das Thema Tier und Tierwohl im kirchlichen Kontext Fuss fassen könnte. Sie stellt den Arbeitskreis Kirche und Tier (AKUT) vor. Auf dessen Website sind Projektideen für Kirchgemeinden aufgeführt, z. B. die Selbstverpflichtung zur tierfreundlichen Kirche.
Und wie trägt Michaela ihr Anliegen an ihr Umfeld heran? «Anfänglich war ich sehr radikal. Da habe ich viele Mitmenschen verletzt. Unterdessen bin ich eher zurückhaltend. Wenn es sich anbietet, kommentiere ich den Konsum von tierischen Produkten, versuche aber sachlich zu bleiben.» Und doch: «Es gibt etliche Gründe, auf Tierprodukte zu verzichten (moralische, ökologische und biblische). Ich wünsche mir, dass sich alle auf einen Weg begeben und sensibler werden in Bezug auf Tierwürde und ihren Konsum. Denn gerade gläubige Menschen sollten in diesem Thema als Vorbilder vorausgehen.»