Bericht

Was eine Tasche Lebensmittel mit Hoffnung zu tun hat …

Christoph Joller

Christoph Joller ist TDS-Absolvent und arbeitet bei der Passantenhilfe Bern – eine Hoffnungsarbeit, wie sein Bericht zeigt.

Die kirchliche Passantenhilfe ist Anlauf- und Triagestelle für alle Menschen aus der Stadt Bern und Umgebung in schwierigen Lebens- und Notsituationen. Wir leisten Überbrückungshilfe für eine begrenzte Zeit. Unser Motto: «Niemand in der Stadt Bern soll Hunger haben.»

Die Menschen, die unsere Beratungsstelle aufsuchen, sind alle in irgendeiner Form von Armut betroffen. Für viele sind wir der letzte mögliche Hoffnungsanker. Dazu gehören: Personen, die im Anmeldeverfahren beim Sozialdienst sind; Arbeitsmigranten, die ihre Situation oder Weiterreise organisieren; Personen, welche im Asylverfahren sind oder ohne geregelte Aufenthaltsbewilligung hier leben.

Einige unterstützen wir ausschliesslich mit Lebensmitteln und Hygieneartikeln, andere zusätzlich mit Einkaufsgutscheinen und Bargeld. Aktuell merken wir, dass viele mit den Preiserhöhungen zu kämpfen haben. Immer öfter reicht das Geld nicht oder nur knapp bis Ende Monat, oder Rechnungen bleiben (länger) unbezahlt.

Bereits eine Tasche mit Grundnahrungsmitteln und Hygieneartikeln kann hier eine akute Not lindern.

Viele verlassen unsere Stelle nicht nur mit einer Tasche Lebensmitteln und eventuellen Einkaufsgutscheinen, sondern auch mit einem Lächeln und mit Dankbarkeit: Sie und ihre Situation wurden gesehen, ihnen wurde zugehört und unkompliziert geholfen. Menschen suchen unsere Stelle auf in der Hoffnung und Erwartung, dass wir ihnen helfen werden. Wenn wir diese Hoffnung erfüllen können, verlassen sie unsere Stelle oft dankbar und auch mit neuem Mut. Es ist schön, wenn wir durch unsere Arbeit ihre Not zumindest für den Moment lindern können.

Christoph Joller in der Beratung

Fünf Kurzgeschichten der Hoffnung aus dem Beratungsalltag

  1. Ein junger Mann wollte sich informieren, wie wir Obdachlosen helfen. Er habe den Job verloren und kurz darauf ist sein Vater in eine kleine Wohnung umgezogen, in der kein Platz für ihn ist. Seine Hoffnung nimmt ab. Nebst hilfreichen Informationen kann ich ihm die Adresse der Notschlafstelle für Jugendliche/junge Erwachsene mitgeben. Weitere Hilfe nimmt er erst am Tag darauf an. Da er mittellos ist, gebe ich ihm eine Notüberbrückung in Form von Lebensmitteln und Einkaufsgutscheinen für eine Woche mit. Adressen für Hilfe bei der Stellensuche und Wohnungssuche nimmt er dankend an. Eine Woche später schöpft er Hoffnung und meldet sich wieder bei uns. Wir können ihm nochmals materiell helfen. Eine weitere Woche später berichtet er, dass er einen Job gefunden hat und schon bald die neue Wohnung beziehen kann.

  2. Herr K. meldet sich wiederholt bei uns, da er von uns in der Vergangenheit Hilfe erhalten hat. Dieses Mal geht es um sein «Nachzüglerlein», das bald zur Welt kommen wird. Da seine älteren Kinder im Ausland zur Welt kamen und das Familienbudget klein ist, weiss er nicht, wie und wo er günstig Babyutensilien auftreiben kann. Ich kann ihm eine Adresse eines Vereines mitgeben, die Babybett, Kinderwagen, etc. ausleihen.

  3. Ein Lebenskünstler, der mit dem Fahrrad auf einer Tour durch die Schweiz unterwegs ist, hat zu wenig warme Kleider und fragt, ob wir ihm helfen können. Da wir gerade etwas Passendes haben, gebe ich es ihm mit. Dazu biete ich ihm Lebensmittel an, die er dankbar annimmt. Zwei-, dreimal haben wir ihn so unterstützt. Dann mussten wir ihm mitteilen, dass er sich bei der für ihn zuständigen Migrationsstelle melden muss, um zu längerfristiger Hilfe zu kommen.

  4. Eine obdachlose Person fragt für einen Schlafsack, da die Nächte kalt sind. Ich schaue in unseren Lagerräumlichkeiten nach und finde einen Schlafsack, den ich der Person geben kann. Zusätzlich biete ich Lebensmittel an, was die Person dankend annimmt. Zufrieden verlässt sie unsere Stelle.

  5. Frau K. hat keine Lebensmittel mehr zu Hause und bekommt erst in zwei Tagen wieder eine Auszahlung der Asylsozialhilfe. Ich kann ihr eine Tasche mit Lebensmitteln mitgeben, damit sie und ihre beiden Kinder heute und morgen etwas zu Essen haben.

Frau K. hat keine Lebensmittel mehr zu Hause und bekommt erst in zwei Tagen wieder eine Auszahlung der Asylsozialhilfe.

Neben solchen Hoffnungsgeschichten begegnen uns auch Erwartungen, die wir nicht erfüllen können. Denn Nothilfe soll eine Überbrückung sein, kein Dauerzustand. Oft entsprechen die Hoffnungen und Erwartungen an unsere Stelle jedoch unseren Möglichkeiten.

Es ist ein Privileg, in der Passantenhilfe arbeiten zu dürfen und Menschen in Not unkompliziert helfen zu können. Was ich allen Klientinnen und Klienten, die unsere Stelle aufsuchen, wünsche: Dass sie ihre eigene Hoffnung auf eine positive Veränderung ihrer teils prekären Situation behalten können respektive dass neue Hoffnung aufkeimen kann. Und dass sie, wo es in ihrer Macht steht, Eigeninitiative zur Veränderung ihrer Situation entwickeln können. Manchmal steht eine Veränderung auch ausserhalb ihrer Macht. Möge Gott in die prekären Situationen eingreifen und Veränderung schenken. 

Christoph Joller arbeitet in der kirchlichen Passantenhilfe AKiB und Sozialberatung der Heilsarmee in Bern. Er ist TDS-Absolvent und wohnt mit seiner Familie in Steffisburg.