Interview | Kirchenentwicklung und Leitung

Warum glaubst du so?

Louis Holzer

Louis Holzer über seine Diplomarbeit zum konstruktiven Umgang mit theologischen Meinungsverschiedenheiten

Louis, deine Diplomarbeit trägt den Titel „Warum glaubst du so?“. Was steckt dahinter?

Obwohl wir alle die gleiche Bibel lesen, gibt es unzählige theologische Richtungen und Meinungen. Das hat mich beschäftigt und ich fragte mich: Wie können wir diese Spannungen positiv nutzen, sodass sie bereichernd werden? Ich selber bin Konflikten früher meist aus dem Weg gegangen. Erst mit der Zeit habe ich es schätzen gelernt, Meinungsverschiedenheiten offen zu diskutieren.

Was war das Ziel deiner Arbeit?

Ich wollte herausfinden, wie ein reflektierter und konstruktiver Dialog möglich ist – sowohl im persönlichen Gespräch als auch im kirchlichen Kontext.

Und, wie gelingt das im persönlichen Dialog?

Zuerst muss ich mein eigenes Welt- und Bibelverständnis kennen: Was hat mich geprägt? Welche Erfahrungen habe ich gemacht? Dabei wird mir bewusst, wo meine Meinung von Erlebnissen, Beziehungen und Erfahrungen beeinflusst wurde. Das macht mich demütiger gegenüber anderen Haltungen und bereitet mich auf den Dialog vor.

Und welche Anstösse gibst du für den Gemeinde-/Kirchenkontext?

Ich habe einen Workshop zum Thema Bibelverständnis entwickelt – geeignet für alle möglichen Kirchen, Organisationen, Hauskreise. Im Workshop finden wir heraus: Welche Bandbreite gibt es bei uns? Wo liegt Konfliktpotenzial? Welche Gruppen müssen besonders beachtet werden? Ziel ist es, dass die eigene Position für andere nachvollziehbar wird – und umgekehrt.

Ziel ist es, dass die eigene Position für andere nachvollziehbar wird – und umgekehrt.
Louis Holzer TDS-Absolvent

Welche Rolle spielt dabei die Sozialdiakonie?

Ein Ziel unserer Arbeit ist es, Beziehungen zu pflegen und zu fördern. Dadurch erkennen wir schon früh Konfliktpotential und können es zur Sprache bringen. Bei Konflikten nehmen wir die Rolle der Vermittlung ein. Wir schaffen Raum für Begegnungen. Menschen sollen ihre Lebenswelt zur Sprache bringen können. Wir gestalten den Rahmen für einen Dialog. Wir legen fest, wie wir miteinander reden wollen, welche Regeln helfen.

Zu Letzterem ein Beispiel aus der Leitlinie einer Gemeinde: „Wir anerkennen die Gegenwart Christi untereinander. Wir begegnen einander mit Empathie – nicht mit einer Ich-weiss-es-besser-Haltung.“

Nochmals deine wichtigsten konkreten Anstösse:

  1. Bei Meinungsverschiedenheiten anstatt zu kontern lieber zurückfragen: Wieso glaubst du so?

  2. Zur Selbstreflexion die Frage einbringen: Welche Erfahrungen hast du mit Menschen gemacht, die anders glauben als du? Könnten diese Erfahrungen Einfluss auf deine Meinungen gehabt haben?

  3. Anstatt: „So und so ist es“ eher „ein Buch aufschlagen“: Es gibt diese und diese Überlegungen (von Stefan Wenger und Thomas Härry gelernt). Auf dieser Grundlage kann man dann gemeinsam diskutieren.

  4. Frage: Was erwarten wir eigentlich von einer Diskussion? Brauchen wir überall Konsens, müssen wir alles zu Ende geklärt haben?

  5. Differenzieren: Persönliche Erlebnisse dürfen Teil der Diskussion sein, sind aber nicht das Wichtigste. Es gibt einen grösseren Kontext.

  6. Statt: „Was glaubst du? – Was glaube ich?“ eher: „Warum glaubst du so? – Warum glaube ich so?“ Das verändert den Ton. Und eröffnet echten Dialog.

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Das Interview führte Matthias Ackermann.

Über Louis Holzers Diplomarbeit hat Idea Schweiz einen Artikel publiziert: https://www.ideaschweiz.ch/artikel/ein-weg-zu-konstruktivem-dialog (mit Abo nachzulesen)