Bericht

Beach-Volley und W-Lan

Maura Schnegg

Wie würde ein Kirchplatz gestaltet, damit er für Jugendliche attraktiv ist? TDS-Studentin Maura Schnegg gestaltete ein kirchliches Unterrichtsmodul zum Thema «Mein Platz in der Welt». Sie lässt Jugendliche der Klassen 7 und 8 Träume und (Nicht-)Wünsche zum Kirchplatz der reformierten Kirche Lyss sammeln. Im Gespräch erzählt sie davon.

Worum ging es in deinem Wahlfachkurs «Mein Platz in der Welt»?

Einerseits um meinen Platz im übertragenen Sinn: Warum bin ich hier – auf der Welt, an diesem Ort? Was ist meine Aufgabe, mein Ziel? Wir thematisierten den Platz in der Welt auch anhand der Bibel, ausgehend von Abraham und Gottes Plan mit den Menschen.

Anderseits ging es um einen konkreten Platz: Neben unserer Kirche in Lyss soll ein Platz entstehen für Teenager und Jugendliche. Mein Angebot sollte den Teenagern meines Unterrichts ermöglichen, diesen Platz mitzugestalten und ihre Ideen einzubringen – also eine klassische Bedarfsanalyse.

Was ist der Hintergrund dieses Angebots?

An einer Retraite des Kirchenrats im Jahr 2016 wurden Visionen für die Kirche entwickelt. Eine davon war, den Platz um die Kirche zu beleben – auch für und mit Jugendlichen. In diesem Zusammenhang bauten wir für Vorschulkinder einen Spielplatz und starteten ein Spielplatzcafé. Ein grösserer Rasenplatz soll nun in einem nächsten Schritt für Jugendliche umgebaut werden.

Wie bringst du Jugendliche dazu, sich einzubringen mit ihren Vorstellungen und Bedürfnissen?

Mir ging es zuerst einmal darum, zu erfahren, was ihr Interesse ist, was ihnen Freude macht. Mitgestalten wäre der nächste Schritt. Aber: Nur zwei von meinen zwanzig Jugendlichen gaben an, dass sie diesen Platz auch wirklich benützen würden. Die Jugendszene lässt sich nicht so leicht an einen Platz binden. Sie wollen für sich sein und sich ihre Orte selbst aussuchen.

Die Jugendszene lässt sich nicht so leicht an einen Platz binden. Sie wollen für sich sein und sich ihre Orte selbst aussuchen.
Maura Schnegg Sozialdiakonin i. A.

Welche Methoden und Anregungen hast du angewendet?

Eine meiner Methoden war die Zukunftswerkstatt. Dabei werden Aussagen gesammelt, z. B. zu der Frage «Was wollen wir auf keinen Fall? Was würde stören?». Oder ich liess sie träumen: «Wenn das euer Platz wäre und Geld keine Rolle spielen würde – was würdet ihr daraus machen?» Wir verbrachten viel Zeit auf dem – noch unbelebten – Platz.

Welche Träume haben die Teenager für einen Kirchenplatz?

Die Jugendlichen träumten in alle Richtungen. Von einem Outdoor-Kino oder -Gym, einem Beach-Volley- oder Basketballfeld, einem Unterstand mit Grill, einem Pool. Würden sie auch wirklich baden? Nur wenn es gratis ist, und nach längerem Überlegen auch grundsätzlich nicht, weil der Platz zu öffentlich sei. Anziehungspunkte wären ein WLAN und Steckdosen fürs Aufladen ihrer Geräte, aber auch ein Brunnen oder ein Tischtennistisch.

Ich wollte unvoreingenommen hören, was von ihnen kommt und merkte, dass sie eher überfordert sind, konkret zu werden – sicher auch, weil sie nicht gewohnt sind, in solche Entscheide miteinbezogen zu werden!

Darüber, was sie auf dem Platz sicher nicht wollen, waren sie sich schneller einig. Sie wollen für sich sein und keine Rentner, Lehrer oder im allgemeinen «ältere Leute» dabeihaben. Sie suchen sich Plätze, wo sie sich «verstecken» und unter Gleichgesinnten sein können.

Das TDS hat meinen Blick für den Sozialraum geschärft: In welchem Umfeld leben die Menschen? Welche Raumgestaltung ist gemeinschaftsfördernd?

Wie unterstützt dich das am TDS Gelernte in der Arbeit mit Jugendlichen? 

Das Prinzip der Partizipation habe ich am TDS gelernt: Die Jugendlichen fragen, einbeziehen. Ernst nehmen, was sie interessiert. Nicht einfach vorgeben, was gemacht wird. Das TDS hat meinen Blick für den Sozialraum geschärft: In welchem Umfeld leben die Menschen? In Bezug auf mein Projekt: Welche Raumgestaltung ist gemeinschaftsfördernd?

«Mein Platz in der Welt» – was löste diese Frage bei den Jugendlichen aus?

Die Frage schien für sie eher zu früh zu kommen: «Ich habe mir das noch nie überlegt …» Viele waren erstaunt und interessiert, wieviel die Bibel zu diesem Thema zu sagen hat.

Die Gruppe war neu mit Jugendlichen aus verschiedenen Klassen. Ich selber kannte nur ein paar wenige, welche schon mal ein Angebot besucht hatten. Von den meisten anderen wusste ich nichts über ihren religiösen und familiären Hintergrund.

Du verlässt das TDS im Sommer 2023. Wie möchtest du nach dem Studium die Welt gestalten?

Wo immer ich kann! Ich möchte sie mit Gott zusammen verändern, dass immer mehr Himmel sichtbar wird. Wenn ich weiterträume, dann sehe ich mich mit Menschen, die scheinbar niemand will: «Schwierige» Teenager, die mit den Eltern nicht klarkommen; Frauen, die von Menschenhandel betroffen sind …

Vorerst darf ich hier in der Kirche Lyss bleiben. Mein Herz schlägt für junge Menschen. Ich leite hier das roundabout [ein Streetdanceangebot für Mädchen und junge Frauen]. Ich trainiere eine Gruppe selber und betreue die anderen Leiterinnen. Zudem bin ich für den Teenager-Gottesdienst und die Jugendgruppe verantwortlich.

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Maura Schnegg ist TDS-Studentin der Klasse IV und arbeitet als Jugendarbeiterin in der Evangelisch-reformierten Kirche Lyss. Mit den Lysser Jugendlichen gestaltet sie den Kirchplatz und die Welt. 

Das Gespräch führte Matthias Ackermann