
Autistische Kirche – heilsame Kirche?

Im Rahmen der Projekttage zum Thema Gemeinschaft bot Pfarrer Tobias Zehnder einen Workshop an mit dem Titel "Autistische Kirche – heilsame Kirche?" Lucy Schmid, TDS-Studentin der Klasse I, besuchte ihn und gibt uns einen Einblick.
Wir starteten mit einem motivierenden Einstieg, der klarstellte: Hier dürfen alle sein, wie sie sind – auch neurodivergent (1)! Es war ausdrücklich erlaubt, Dinge zu tun, die dabei helfen, sich auf den Workshop zu konzentrieren – herumlaufen, aufstehen, Fidget Toys (2) benutzen etc. Die Vorstellungsrunde war klar strukturiert, inklusive der Information, dass wir auch einfach nur „weiter“ sagen durften.
Tobias Zehnder, Pfarrer und selbst im neurodivergenten Spektrum, leitete diesen Workshop. Er zeigte auf, was Autismus bedeuten kann, welche verschiedenen Sichtweisen es darauf gibt und was die Bibel dazu sagt – oder eben nicht sagt. Wir hörten, wie eine Kirche für Autisten in Singapur ihre Anlässe gestaltet, und erfuhren von einer Jugendgruppe für Menschen aus der queeren und der autistischen Community – da diese eine relativ große Schnittmenge haben.
Woher kommt das? Neurodivergente Menschen – insbesondere Autistinnen und Autisten – nehmen gesellschaftliche Strukturen anders wahr. Sie erfassen nicht intuitiv, was als „normal“ gilt, und hinterfragen festgelegte Rollenbilder und Denkmuster. Dadurch reflektieren sie oft intensiver über Identität, Geschlecht und Sexualität als neurotypische Menschen. Diese andere Art der Wahrnehmung führt dazu, dass sich viele in der queeren Community wiederfinden – auch weil sie dort eine Offenheit und Akzeptanz vorfinden, die sie anderswo vermissen.
Was bleibt und zum (Weiter-)Nachdenken anregt:
Kennst du einen Autisten, kennst du nur einen.
Wir möchten Kirche mit Autisten gestalten, nicht für Autisten.
Meltdowns (3) sind keine Wutanfälle – aber das heisst nicht, dass man dabei keine Wut verspürt.
Eine Autismus-Diagnose ist oft eine Erklärung und eine Erleichterung, aber sie ist auch eine Schublade, in die man in Zukunft oft automatisch eingeordnet wird.
Autistische Menschen nehmen Reize intensiver wahr und reagieren darauf – doch diese Reize betreffen uns alle. In gewisser Weise sind autistische Menschen unsere Seismografen.

Mögliche Schritte um Kirche so zu gestalten das sich Autisten und Autistinnen wohlerfühlen:
Reize reduzieren: Keine Hintergrundmusik, keine ungefragten Berührungen, Gehörschutztragen als völlig okay definieren, verschiedene Räume für Gespräche, Essen etc. haben, einen Raum der Stille/Rückzug haben, Abläufe immer gleich gestalten – diese z. B. auch durch Bilder anzeigen, Essen darf auch von zu Hause mitgenommen werden, keinen Augenkontakt erwarten etc.
Stimming (selbststimulierendes Verhalten) als völlig okay definieren
Digitale Räume anbieten
Eine Theologie vertreten, die Autismus nicht als Störung sieht, die geheilt werden muss. (keinen theologischen Machtmissbrauch anwenden)
Lucy Schmid, Studentin Klasse I
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(1) Wenn die kognitiven Gehirnfunktionen eines Menschen von denjenigen abweichen, welche die Gesellschaft als innerhalb der Norm liegend (also als «normal» oder «neurotypisch») definiert, dann wird dieser Mensch als neurodivergent bezeichnet. So z. B. Menschen mit Autismus, mit Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitäts- Störung (ADHS), Dyslexie (vormals Lese-Rechtschreibschwäche).
(2) ein Spielzeug oder ein anderer kleiner Gegenstand, der dazu dient, Menschen etwas mit ihren Händen zu tun zu geben, wenn sie gelangweilt oder nervös sind
(3) Ein Meltdown im Kontext von Autismus bezeichnet eine überwältigende Reaktion auf Reizüberflutung, Stress oder emotionale Überforderung. Es ist keine bewusste Trotzreaktion, sondern eine unkontrollierbare Krise, die oft mit intensiven Emotionen wie Angst, Frustration oder Wut einhergeht. (Quelle: ChatGPT, überprüft durch andere Quellen)