Bericht

Shakespeare, Schach und Hingabe

Matthias Ackermann

(Sozialpraktikum, Teil 2) Lydia Verburg gab sich eine steile Vorgabe für ihr Praktikum. Sie hat partizipative Projekte realisiert, Ausraster überstanden und ist beeindruckt vom Team des Loogartens, einem Wohnhaus für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen aller Art.

Die Vorgabe, die Lydia Verburg für ihr Praktikum formulierte, lautet: Beziehung, Lebendigkeit, Motivation, Partizipation, Selbstwirksamkeit – kurz BLeMPS. Lydia: «Das führt mir immer wieder meinen Auftrag vor Augen». Obwohl: «Die Menschen sind wichtiger als der Auftrag.» So habe sie gelernt, zuerst die Menschen wahrzunehmen und dann abzuwägen: «Kann ich hier motivieren? Kann ich eine Erfahrung von Selbstwirksamkeit ermöglichen? Kann ich Beziehung zu anderen oder zu mir ermöglichen?» Letzteres sei das schwierigste Ziel gewesen.

Bedürfnisse abklären

Ausgehend von den Bedürfnissen der Bewohnerinnen und Bewohner hat sie Projekte realisiert. «Meinen Bezug zur englischen Sprache wollte sich ein Bewohner zunutze machen. Wir haben zusammen einen kleinen «Literaturclub» gegründet mit Shakespeare-Texten, Liedern von Paul Kelly und eigenen Gedichten.»

Zwei andere Bewohner spielen gerne Schach. Auch hier konnte Lydia an einem eigenen Interesse anknüpfen. Zu dritt organisierten sie ein Schachturnier, das dann auch andere Bewohnerinnen und Bewohner einbezog.

Bedürfnisse wahrnehmen: Lydia Verburg organisierte ein Schachturnier im Loogarten.

Liebe und Hingabe trotz grosser Arbeit

Lydia freute sich über den grossen Gestaltungsspielraum, den ihr das Team bot. Gemeinsam besprachen sie, wo Lydia ergänzend zum Bestehenden mitwirken und sich einbringen konnte. «Ich konnte einen Team-Einstieg übernehmen und habe den mit Musik gestaltet.» Und sie sagt: «Die Leute verdienen meinen Respekt! Bei ihrer grossen Arbeit haben sie doch noch so viel Liebe und Hingabe für ihre Leute.»

Auf Eiern laufen

Natürlich gab es auch Herausforderungen: «Es fühlte sich manchmal an wie ‚auf Eiern laufen‘.» Sie meint die Unberechenbarkeit der Bewohnerinnen und Bewohner. Sie erzählt von einer Frau, die durch irgendetwas, das sie, Lydia, sagte, getriggert wurde: «Sie hatte während 10–15 Minuten einen totalen Ausraster. Sie schrie, und ihr Gesicht veränderte sich bedrohlich.» Lydia bewahrte Ruhe und konnte die Person kurz darauf wieder für ein Spiel gewinnen. Auf dem Hintergrund solcher Erlebnisse ist sie froh, dass sie durch ihr Alter und ein früheres Praktikum in der Psychiatrie schon eine gewisse Erfahrung im Umgang mit instabilen Personen hat.

Was hat Lydia gelernt? «Ruhig bleiben – zuerst nachdenken, dann handeln!» Und sie findet es spannend, dass sie als Holländerin nun zwei Gesundheits- bzw. Sozialsysteme miteinander vergleichen kann: «In beiden Ländern gibt es Wartelisten, aber in der Schweiz sind sie kürzer. Die gesundheitliche Versorgung ist besser.»

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Der Loogarten gehört zu den Sozialbetrieben Christuszentrum Zürich, die einst von Pfarrer Sieber gegründet wurden. Das Wohnhaus Loogarten bietet betreutes Wohnen für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen aller Art.