Bericht

Das Ziel gemeinsam erreichen

Matthias Ackermann

(Sozialpraktikum, Teil 1) Die alte Giesserei von Langenthal: Eine eindrückliche Kulisse für den Praktikumsbetrieb von Oliver Lutz. Hier betreibt die Stiftung WBM ein Restaurant und führt am Abend Events durch. Oliver lernte hier, das Ziel nicht alleine, sondern mit den Mitarbeitenden zu erreichen.

Die Herausforderung von Oliver «Oli» Lutz war der Einstieg. Mit seinem Erstberuf als Koch konnte er sich wunderbar einbringen in den Küchenbetrieb des grossen Restaurants: «Ich habe mich anfangs sehr engagiert und wollte zeigen, was ich kann, wollte gut und schnell arbeiten und half mit, wo es nötig war, z. T. auch am Abend bei den Events.» Damit sei er aber am Ziel vorbeigeschossen.

Kurskorrektur nach Überarbeitung

Die Stiftung WBM unterstützt Menschen auf dem Weg in den allgemeinen Arbeitsmarkt. In der Küche arbeiten demnach neben den Angestellten auch Mitarbeitende mit z. T. starken Einschränkungen. Im Austausch mit Mitstudierenden und mit der Praktikumsbegleiterin Yolanda Sieber merkte Oli, dass er eine Kurskorrektur vornehmen musste: «Es geht darum, dass ich die Bedürfnisse der Mitarbeitenden wahrnehme und ihr Potenzial fördere. Wir müssen das Ziel gemeinsam erreichen.»

Es geht darum, dass ich die Bedürfnisse der Mitarbeitenden wahrnehme und ihr Potenzial fördere. Wir müssen das Ziel gemeinsam erreichen.
Oli Lutz TDS-Student, Klasse II

Damit erlebte er ein Dilemma, das typisch ist für die Arbeitsagogik: Sie müssen einerseits eine Leistung erbringen und auch finanziell rentieren. Anderseits muss mehr Zeit für die Betreuung von Mitarbeitenden aufgewendet werden. Oli löst es so: «Hektik vor dem Mittagessen – hier hat die Produktivität Vorrang; am Nachmittag steht wieder die Betreuung der Menschen im Vordergrund.» Er erwähnt Parallelen zu seiner Anstellung vor seinem TDS-Studium. Er kochte damals für ein Kinderheim, teilweise zusammen mit den Kindern. Jetzt im Praktikum sei es ähnlich: «Ich brauche Geduld und genug Zeit. Dann kann ich andere anleiten.»

Neuland «Menschen mit Depression»

Neu und auch herausfordernd waren für Oli Menschen mit Depression. «Ich finde es schwierig, mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Wenn sie am Morgen zur Arbeit kommen, sind sie noch ganz in ihrer Welt, in ihrem Loch.» Dann versucht er, sie in die Gegenwart zu holen. Ziel ist, dass sie eine Tagesstruktur haben und ein wenig Gemeinschaft – ein bisschen Farbe in ihrem Leben, das sie sonst als sehr trostlos empfinden. Das gelänge manchmal. Aber es gibt auch andere: «Ein Mann ist völlig ausgerastet. Seither kommt er nicht mehr arbeiten. Andere kommen lange nicht, und tauchen dann plötzlich wieder auf.»

Einmal ergab sich eine positive Wende mit einer Mitarbeiterin: «Am Anfang kam zwischen uns kaum ein Gespräch in Gang.» Dann besuchte eine Frau das Restaurant, die Oli vom Kinderheim her kannte – und die Mitarbeiterin ebenso! «Es stellte sich heraus, dass sie in ebendiesem Kinderheim aufgewachsen war, bevor ich dort arbeitete.» Seither habe sie viel erzählt von ihrer Zeit im Kinderheim. «Nun hatten wir ein gemeinsames Thema, eine Verbindung.»

Begleitet wird Oli von Simon Käser, dem Agogischen Leiter der Stiftung WBM. Sie treffen sich wöchentlich zu einer Standortbestimmung und besprechen die anfallenden Themen.

Unterricht als Vorbereitung

«Die Theorie am TDS hat mich gut auf dieses Praktikum vorbereitet. Ich konnte manches in der Praxis aufgreifen, z. B. das dreifache Mandat der Sozialen Arbeit.»

Vom Modul «Kommunikation» habe er auch profitiert, z. B. indem er zuerst die Situation schildere und erst dann einen Appell mache. «So können Eskalationen verhindert werden.»

Auf die Frage, ob er sich wieder freue auf das Studium am TDS, meint Oli: «Meine Berufung ist Pastor. Von daher ist es gut, dass ich wieder studiere. Aber es war ein schönes Abenteuer, das ich nicht bereue.» Und Oli fügt hinzu: «Ein guter Pastor bringt das Evangelium mit der einen Hand, mit der anderen dient er. Hier habe ich vor allem das zweite gelernt.»

--

Die Grüne Halle beschäftigt Menschen mit Beeinträchtigungen und gehört zur Stiftung WBM (Die grüne Halle ist ab 2024 nicht mehr Teil der Stiftung WBM). Die Stiftung begleitet erwachsene Menschen mit Beeinträchtigungen bedarfsgerecht und ressourcenorientiert mit individuell angepassten Dienstleistungen in den Bereichen Wohnen, Arbeiten und Arbeitsintegration.